Sturm, Hagel, Hochwasser, Überschwemmungen – Wetterextreme haben in den vergangenen Jahren Schäden in Milliardenhöhe verursacht. Im Projekt ResCentric haben Forschende des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut EMI, eine Simulationssoftware entwickelt, mit der sich Risiken bei baulichen Infrastrukturen identifizieren, die Wahrscheinlichkeit und die Höhe der Kosten von Schäden berechnen und Maßnahmen zum Schutz von Immobilien bei Klimarisiken ermitteln lassen. Im Fokus steht die Resilienz von Gebäuden.
Nicht zuletzt die Überschwemmungen im Ahrtal und die Hochwasserkatastrophe in Süddeutschland im Juni dieses Jahres haben gezeigt, wie verwundbar unsere Infrastrukturen sind. Nach Angaben des Verbands der Deutschen Versicherungsgesellschaft (GDV) steigen die versicherten Schäden an Häusern, Hausrat und Betrieben jedes Jahr um Beträge im mehrstelligen Millionenbereich. Vorbeugende bauliche Maßnahmen und Anpassungen an Klimafolgen werden angesichts der Zunahme von Extremwetterereignissen unerlässlich.
Im Projekt ResCentric hat das Fraunhofer EMI gemeinsam mit einem Industriepartner eine Software für die Bewertung der Folgen von Wetterextremen entwickelt. Die Simulationssoftware bewertet die Schäden und Ausfallzeiten von mehrstöckigen Verwaltungs- und Bürogebäuden, Industriehallen oder Einfamilienhäusern, wobei der Schwerpunkt auf Starkregen-Hochwasser- und Starkwindszenarien liegt. In künftigen Versionen sollen auch Hitzewellen und Waldbrände berücksichtigt werden.
»Starkregen ist besonders gefährlich, da er ohne Vorwarnung einsetzt. Er tritt immer häufiger auf und richtet oftmals großen Schaden an. Unser übergeordnetes Ziel ist die Stärkung der Resilienz urbaner Strukturen«, sagt Dr. Julia Rosin, Wissenschaftlerin am Fraunhofer EMI in Efringen-Kirchen bei Freiburg. Mit ihrem Team entwickelt sie die Plattform, mit der sich die monetären Auswirkungen von klimatischen Extremwetterereignissen bewerten und Strategien zur Schadensminderung ermitteln lassen, wobei die Kosten im Vergleich zu finanziellen Schäden berücksichtigt und Intensitäten, Risiken und Auftretenswahrscheinlichkeiten von Klimaextremen einkalkuliert werden.
»Die Software versetzt uns in die Lage, gebäudespezifisch zu berechnen, welche Kosten infolge von Schäden durch Klimaphänomene auftreten und wie hoch die Kosten der Instandsetzung sind. Besonders an unserer Entwicklung ist, dass wir die Kosten präzise ihrer Ursache zuordnen können. Zudem können wir die ausfallbedingten Einnahmeverluste infolge fehlender Mieten oder durch Produktionsausfälle analysieren und so ermitteln, wann sich Maßnahmen zur Verbesserung der Immobilien amortisieren«, so Rosin.
Von den Berechnungen profitieren Immobilieninvestoren, Versicherungsgesellschaften, Rückversicherungen, Wohnungsbaugesellschaften, aber auch Verwaltungsbehörden. Darüber hinaus lassen sich neben den eigentlichen Schäden auch Versagensmuster identifizieren, mögliche Schadenswahrscheinlichkeiten quantifizieren, Verbesserungsmaßnahmen qualifizieren und deren Effizienz bewerten. Ob Türen, Fenster, Lichtschächte und Tiefgarageneinfahrten – alles gehört auf den Prüfstand.
»Moderne Türen mit dreifacher Dichtung können verhindern, dass Wasser eindringt. Auch durch den Austausch von Fenstern mit Dreifachverglasung kann man Wasserschäden vorbeugen. Unsere Software liefert einen ganzen Katalog an präventiven Maßnahmen inklusive der jeweils anfallenden Kosten.«
Auf dem Prüfstand: Schadensberechnung von Gebäuden
Immobilienunternehmen können ihren Immobilienbestand bzw. ihr Gebäudeportfolio in die Software einlesen, die dann in Sekundenschnelle für ein spezielles Gebäude und ein Wetterereignis eine entsprechende Schadensprognose berechnet. Dies gelingt unter anderem mithilfe von generischen Gebäudemodellen, einem zentralen Element der Software. Das sind vereinfachte mathematische Modelle, die typische Merkmale von Gebäuden in Bezug auf ihre Struktur, Materialien und Bauweise berücksichtigen.
Diese Modelle stellen eine breite Palette von Gebäudetypen dar und können verwendet werden, um die Vulnerabilität einer großen Anzahl von Gebäuden gegenüber Hochwasser zu bewerten. Probabilistische Analysen generischer Gebäudemodelle basieren auf der Verwendung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen für verschiedene Parameter, z.B. die Höhe des Hochwassers, die Fließgeschwindigkeit des Wassers, Windstärken, die Größe von Hagelkörnern, herumfliegende Gegenstände oder Festigkeitswerte der Konstruktionswerkstoffe.
Durch die Kombination dieser Wahrscheinlichkeitsverteilungen können Rosin und ihr Team statistische Aussagen über die Wahrscheinlichkeit zu erwartender Schäden ableiten. »Wir berechnen quasi ein Typengebäude und übertragen die Ergebnisse auf alle Gebäude, die diesem ähnlich sind«, erklärt die Forscherin. Aktuell liegen Gebäudemodelle von mehrstöckigen Verwaltungs- und Bürogebäuden, Industriehallen und Einfamilienhäusern vor, das Portfolio soll jedoch sukzessive erweitert werden.
Ebenfalls geplant ist, die Software künftig über Schnittstellen mit digitalen Stadtmodellen zu verknüpfen. Kommunen könnten dann städtebaulich auf die Anforderungen des Klimawandels reagieren und nötige Vorkehrungen umsetzen.