Die ewig drängende Frage nach bezahlbarem und ökologischem Wohnraum hat im niedersächsischen Wendland eine Antwort mit Signalwirkung erhalten. Unweit der Elbe hat eine Genossenschaft eine vollökologische, interkulturelle und basisdemokratische Siedlung als Mehrgenerationenprojekt mit Mischnutzung errichtet. Die Ausführung des Wohnprojekts in Holzständerbauweise ermöglichte die Einbeziehung der Siedler in den Bauprozess.
Aus der Flüchtlingskrise 2015 resultierte die Idee, die Geflüchteten über ein Selbstbauprojekt zu integrieren: Die Vision des Hitzacker Dorfes (www.hitzacker-dorf.de) war geboren. Gemeinsam initiierten die beiden Wendländer, der Lehmbauer Thomas Hagelstein und der Projektentwickler Hauke Stichling-Pehlke, mit dem Hamburger Architekten Frank Gutzeit einen ergebnisoffenen Prozess, der stetig weiterentwickelt wird.
Auf einem 5,5 Hektar großen Grundstück entsteht in mehreren Bauabschnitten ein Dorf mit rund 100 Wohnungen, getragen von einer 2016 gegründeten Genossenschaft, in der jeder Siedler verpflichtend Mitglied ist. Der erste Bauabschnitt ist weitestgehend fertiggestellt worden und bietet in 13 Mehrparteienhäusern derzeit 90 Erwachsenen und 26 Kindern eine neue Heimat.
Der siedlungsgeografische Ansatz basiert auf der Revitalisierung des ländlichen, strukturschwachen Raums. Denn dieser darbt – auch im Landkreis Lüchow-Dannenberg, der zu den am dünnsten besiedelten Regionen in ganz Deutschland gehört und sukzessive zu überaltern droht. Hier versteht sich das Hitzacker Dorf als Blaupause für die Erneuerung ruraler, dörflich-kleinstädtischer Regionen, insbesondere durch den Zuzug junger Menschen und Familien, die die überfüllten und teuren Agglomerationen verlassen, um ihren Kindern ein entspanntes Aufwachsen im Grünen zu ermöglichen.
Zugleich steht das Hitzacker Dorf als Genossenschaft mit derzeit rund 200 Mitgliedern für ein gemeinschaftliches Leben aller Generationen, Nationen und Altersstufen. Der städtebauliche und raumordnungspolitische Kardinalfehler des 20. Jahrhunderts lag und liegt in der Trennung der Daseinsgrundfunktionen von Wohnen und Arbeiten, Freizeit, Bildung, Verkehr und Nahrungserzeugung.
Das Hitzacker Dorf reintegriert diese bewusst wieder an Ort und Stelle – kurze, staufreie Wege inklusive. Auf dem als Mischgebiet ausgewiesenen Areal werden rund 20% der Fläche gewerblich genutzt, darunter z.B. eine Arztpraxis, ein Software-Planungsbüro, ein Biomitgliederladen, eine kleine Futon- und Matratzenmanufaktur sowie Co-Working Spaces.
Des Weiteren befindet sich, neben der direkten Eigenversorgung in Kleingärten, eine eigene Solawi – solidarische Landwirtschaft – im Aufbau. Derweil ist das große Gemeinschaftshaus mit tragender Stampflehmwand multifunktional ausgerichtet: Es dient als Kommunikationszentrum mit Dorfbüro, als Versammlungs- und Aufführungsort mit Seminar- und Küchenbetrieb und beherbergt eine Bibliothek sowie im Obergeschoss temporäre Wohnräume der hier verorteten Mitwohnzentrale.
Ziel ist es, eine von den Siedlern getragene kleinteilige und dezentrale Ökonomie aufzubauen, die neue Arbeitsplätze in und um die Siedlung herum schafft. Die Dorfgründung erfolgte im nahe gelegenen Hitzacker-Bahnhof, der vor über 10 Jahren von dem Verein Kulturbahnhof Kuba e.V. (www.kuba-ev.de) übernommen worden war, mit der Genossenschaft Hitzacker Dorf als Vereinsmitglied.
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