BAUEN+ 1/2025

Gebäudetechnik/Holzbau

Produktionshalle eines Zimmermeisters in Bayern in einer weiterentwickelten historischen Hallenkonstruktion nach Friedrich Zollinger
Dimension und Kubatur des Gebäudes transportieren den hohen baulich-architektonischen Anspruch an die neue Produktionsstätte (© Reichart Holzbautechnik GmbH)

Marc Wilhelm Lennartz


Zollinger: zeitlose, effiziente und formschöne Bauweise

Stützenfreie Konstruktion eines räumlichen Stabwerks mit geringem Eigengewicht


Gemeinhin werden Objektbauten nach rationalen Gesichtspunkten erstellt. Nicht ganz so in Bayern, wo ein Zimmermeister seine neue Produktionsstätte zugleich als Ausstellungs- und Vorführhalle errichtet hat. In der weiterentwickelten, seit über 100 Jahren bewährten, historischen Hallenkonstruktion nach Friedrich Zollinger werden Kreuzlagenholzelemente in Serie vollautomatisch produziert.


Die Zimmerei Reichart erwirtschaftet einen Großteil des Umsatzes in drei Segmenten: Wohnungsbau, Tourismus und Landwirtschaft, wobei die beiden Letzteren im Landkreis Oberallgäu zwei wesentliche Wirtschaftsfaktoren abbilden. Holzbaulich stehen hierbei sowohl der Holzständer- wie auch der Holzmassivbau volumenbezogen in etwa gleichrangig nebeneinander.

Das Spektrum reicht von Ein- und Zweifamilienhäusern über Objekt- und Sonderbauten bis hin zu klassischen Dachstühlen, Erweiterungen, Aufstockungen und Sanierungen, die größtenteils im Umkreis von 20 bis 50 km rund um Oberstaufen ausgeführt werden. Dabei wird der Roh- inkl. Trockenbau in Eigenregie erstellt, sämtliche anderen Gewerke, wie z.B. Heizung und Elektrik, übernehmen lokale Handwerker, mit denen regelmäßig kooperiert wird.


Unabhängigkeit, betriebliche Wertschöpfung und Mitarbeiterzufriedenheit

Neben der Unabhängigkeit steht vor allem eine hohe betriebliche Wertschöpfung im Fokus des Zimmereibetriebs. Auf Basis dieser Grundmaxime fiel auch die Entscheidung, im wachsenden Segment Massivholzbau einen zweiten Standort auf der grünen Wiese aufzubauen. Im Ortsteil Wengen wurde auf einer Gewerbefläche von 8.000 m2 der Grundstein für eine eigene Herstellung von leimfreien Massivholzelementen gelegt.

Der kaufmännischen Entscheidung lag die Erkenntnis zugrunde, dass mit dem Zukauf und der Weiterverarbeitung von z.B. Brettsperrholz (BSP) zu wenig Wertschöpfung in der Zimmerei verbleibt. Die neue Fertigungsstraße, in der aus einfachen sägerauen Brettlagen Kreuzlagenholzelemente vollautomatisch in Serie produziert werden, trägt dieser Überlegung Rechnung. Die Fertigung dieser Massivholzwände wird ebenfalls auch extern als Dienstleistung angeboten.

Ein weiterer Aspekt nimmt Bezug auf die immer wichtiger werdende Mitarbeiterzufriedenheit – Stichwort: Work-Life-Balance. Bedingt durch die ebenso notwendige wie tiefgreifende Einbindung der Mitarbeiter in den herausfordernden Berufsalltag mit regelmäßigen Überstunden erfolgte eine betriebsintern abgestimmte Arbeitszeitveränderung. Die nach wie vor 40-Stunden-Woche wird nun nicht mehr an fünf, sondern an vier Tagen erfüllt – der Freitag ist per se ein freier Tag. Diese langen Wochenenden bei verlängerten Arbeitstagen haben die Zustimmung der Belegschaft erhalten. Dabei galt es auch, die Kunden an die veränderten Rahmenbedingungen heranzuführen.


Schalentragwerk ohne Stützen mit optimierter Raumausnutzung

Die Ursprünge der Zollingerhalle reichen rund 100 Jahre zurück. Das von dem Architekten Friedrich Zollinger ab 1904 entwickelte und 1921 patentierte freitragende Konstruktionsprinzip fand damals eine rasche weltweite Verbreitung – bereits 1926 existierten in 28 Ländern angemeldete Patente, darunter in Dänemark, Italien, USA, Australien und Russland.

Aufgrund der großen Zahl identischer und kurzer Holzbohlen mit einer gleichartigen Stabstruktur und geringen Querschnittsdimensionen stach sie vor allem als besonders wirtschaftliche Bauweise hervor, bei einem im Vergleich zu Pfetten- oder Mansarddächern signifikant reduziertem Materialeinsatz von ca. 40%. Die weiteren Vorteile lagen und liegen, neben der Verwendung weniger immergleicher Bauteile, insbesondere in der vergleichsweise einfachen und zeitnahen Montage sowie einer, da stützenfrei konzipiert, optimierten Raumausnutzung.

Dabei setzt sich das Flächentragwerksystem aus drei sich an einem Knotenpunkt kreuzenden, baugleichen Einzellamellen zusammen, die an der Längskante bogenförmig und an den Stirnseiten schräg zugeschnitten sind, wodurch die Lamelle an der jeweils nächstfolgenden vollflächig aufliegen kann. Im Planungsprozess hat der Bauherr Helmut Reichart bei der Rautenstellung denselben Winkel wie Friedrich Zollinger angesetzt.

Dieses sich stetig wiederholende Tragwerksprinzip bildet die Bauweise als solche typisierende, gewölbeartige Struktur heraus, welche die finale Dacheindeckung trägt. Darüber hinaus verfügt die Zollingerkonstruktion nicht nur über einen zeitlos-formschönen Ausdruck, sondern auch über einzigartige atmosphärische und raumakustische Qualitäten, die u.a. in etlichen errichteten Kirchen und Konzerthallen ihren Ausdruck gefunden haben.


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