BAUEN+ 6/2024

Bauakustik/Schallschutz

Abbildung zum Fachartikel »Politik vs. Schallschutz im Wohnungsbau«
Abbruch eines Mehrfamilienhauses aus den 1950er-Jahren in Deutschland [6]. Ursächlich für den Abbruch ist insbesondere die zu geringe Trittschalldämmung der vorhandenen Holzbalkendecken, die sich aufgrund der baukonstruktiven Randbedingungen nachträglich nicht wirtschaftlich verbessern lässt. (© B. Gigla)

Birger Gigla


Politik vs. Schallschutz im Wohnungsbau

Einfluss politischer Entscheidungen auf Schallschutzstandards und Wohnqualität


»Die Länder betreiben vielfältige Initiativen, um die hohen Standards z.B. beim Schall und Brandschutz, aber auch in der Gebäudetechnik abzubauen«. Bei diesem unglaublich klingenden Zitat handelt es sich nicht um einen kritischen Pressetext, sondern um eine Feststellung der für das Bauen zuständigen Landesminister. Die Quelle ist das Protokoll der zurückliegenden 144. Sonder-Bauministerkonferenz. Weniger Schall- und Brandschutz für Mieter von günstigem Wohnraum? Wie konnte es so weit kommen? Der folgende Beitrag fasst einige Hintergründe dieser Entwicklung zusammen und geht auf mögliche Folgen für den Schallschutz ein.


Das Protokoll über die Sitzung der 144. Sonder-Bauministerkonferenz am 26. Juni 2024 in Berlin [1] liest sich wie ein Rückschritt in die 1960er-Jahre. Zum »TOP 5: Länderinitiativen zur Förderung des Wohnungsbaus/der Bauwirtschaft« heißt es: »Die Länder betreiben vielfältige Initiativen, um die hohen Standards z.B. beim Schall- und Brandschutz, aber auch in der Gebäudetechnik abzubauen«.

Vor dem Hintergrund des aktuellen Wohnraummangels deutet sich an, dass Fehler der 1960er-Jahre wiederholt werden und aufgrund eines Nachfragemaximums unattraktiver Wohnraum entsteht, der nach gewisser Zeit zu Problemquartieren wird. Diese Entwicklung würde genau nicht dem Ziel der Nachhaltigkeit entsprechen, langfristig attraktiv nutzbaren Wohnraum zu entwickeln.

Mit der Rückabwicklung von Qualitätsstandards nimmt es die Bauministerkonferenz derzeit ernst: Im Protokoll der 144. Sonderbauministerkonferenz [1] wird weiterhin festgehalten: »Als treibenden Kostenfaktor beim Bauen hat die Bauministerkonferenz seit Langem die steigende Standardsetzung durch die technische Normung identifiziert. Viele Normen und Regeln, die als anerkannte Regeln der Technik gelten, tragen maßgeblich zur Verteuerung des Bauens bei und verhindern dringend notwendige Innovationen im Sinne des nachhaltigeren und experimentellen Bauens« (www.bauministerkonferenz.de).

Diese Aussage wird nicht durch Studien oder Quellen belegt und bleibt erstaunlich unpräzise. Aus Sicht des Schallschutzes ist nicht nachvollziehbar, welche Normen notwendige Innovationen im Sinne des nachhaltigeren und experimentellen Bauens verhindern. Anstelle von Fakten folgen neue Buzzwords, z.B. ist politisch derzeit pauschal die Rede von »Goldplating«. Damit ist gemeint, dass Bauen in Deutschland zu teuer sei, weil häufig dazu tendiert wird, einen Goldstandard zu bauen. Als wesentliche Ursache werden die bautechnischen Normen ausgemacht.

Hintergrund der Diskussion ist die gegenwärtig angespannte Situation im Wohnungsbau. Aufgrund der Zinsentwicklungen bei den Hypothekarkrediten und den inflationsbedingt gestiegenen Baukosten sind bezahlbare Wohnungen derzeit schwieriger zu realisieren. Die Kostensteigerungen können enorm sein, wie durch Wohnungsbaugesellschaften bestätigt wird, die regelmäßig vergleichbare Bauten realisieren. Manche Investitionsprojekte liegen derzeit auf Eis. Die Bauministerkonferenz fordert, »das wohnungswirtschaftliche Zieldreieck aus Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit zu wahren«.


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